Macht Lebensmittelrettung einen Sinn?
Ich habe ein Jahr in einem eigenen Selbstversuch Lebensmittelrettung ausprobiert. Hat das etwas gebracht? Hier mein Bericht.
Meine Eltern sagten immer, man spielt weder mit dem Essen noch wirft man es weg, und ich kann sagen, sie hatten Recht. Essen war für mich in meiner Kindheit etwas ganz Besonderes, nichts was vom Himmel fällt und nichts, was man groß wählen konnte. Es gab das, was am Tisch stand, oder nichts. Auch im Kindergarten und Hort bei den Klosterschwestern war es so. Alle standen mit dem Teller in einer Reihe an und jeder bekam das Gleiche. Ausnahmen damals waren die Kinder mit ärztlichen Attesten oder die aus Glaubensgründen kein Schwein aßen. Sie bekamen ein Ersatzessen.
Früher in den 1970er und 1980er Jahren wurde alles verwertet, auch bei den Verwandten auf dem Land. Wurde ein Schwein, Hase oder Rind geschlachtet wurde, das Fleisch gegessen. Das Horn wurde wurde unter Pflanzen wie Streuobstbäumen eingegraben oder als Hornspäne auf die Erde gestreut. Das Fell der Tiere aufgespannt und zu kleinen Decken verarbeitet, die Knochen zu Suppen oder Soßen. Pflanzenabfälle kamen auf den Kompost. Besonders freuten sich die Hasen über übriggebliebenes rohes Gemüse und die Schweine über Reste von im Wasser gekochtem Fleisch oder Obst. Alles wurde verwertet.
Aus diesem Grund, und weil jüngere Menschen nun die Lebensmittelrettung für sich jetzt entdeckt haben, wollte ich sehen, was ich zusätzlich zu meinen bisherigen umweltfreundlichen Aktivitäten, wie das Sammeln von Wasser zum Bewässern von Pflanzen, das Nutzen eigener Taschen beim Einkaufen und das Vermeiden von To-go-Bechern, durch das Retten von Lebensmitteln beitragen kann. Früher habe ich eh immer auf dem Markt immer Gemüse gekauft, das krummer oder hässlicher war als anderes, damit der Händler es nicht wegwerfen musste. Oder ich hob einen Apfel auf der Straße auf, um ihn zu essen, wenn ich einen neben einem Apfelbaum fand.
Ich begann im Januar 2023 für ein Jahr zu notieren, welche Lebensmittel ich gerettet habe und ob es sich lohnte.
Mein Experiment sollte ein Jahr dauern und ich wollte Vor- und Nachteile der Lebensmittelrettung erkunden. Dazu legte ich eine Tabelle an, in der ich eintrug, was ich kaufte, was es kostete, welche Ersparnis ich hatte und ob ich es aß oder entsorgen musste, weil die Ware schon zu arg geschädigt war (Beispiel Schimmel in Champigongpackung).
Wo habe ich Lebensmittel gerettet?
Wo habe ich Lebensmittel gerettet? Ich habe Lebensmittel in Supermärkten, Bäckereien und Lokalen hier in München-Pasing sowie im Internet bei diversen Anbietern von überschüssigen oder abgelaufenen Waren gerettet (Lebensmittelüberhang).
Wie viel Lebensmittel in einem Jahr gerettet?
Insgesamt kamen 44,156 kg Lebensmittel zusammen.
Was wurde gerettet?
Unmengen an Brot, Kuchen, haltbaren Lebensmitteln wie Traubenzucker, Kräutern, Käse, Wurstwaren, Milchersatzprodukten, Pudding, Gummibären, Schokolade, Knabbergebäck, Obst, Gemüse, Nudeln, Reis, Nüssen, Backzutaten und vielem mehr.
Hat man durch die Lebensmittelrettung Verpackungsmüll gespart?
Hier kann ich klar sagen: „Nein“. Warum nicht? Das Brot, das man beim Bäcker als Mischtüte abholte, wurde generell verpackt. Süßes wie Nussschnecken musste man ja von Herzhaftem wie Brot trennen, also bekam man getrennte Tüten, die alle wiederum dann in eine Papiertüte oder Plastiktüte kamen. Bei Lokalen wurde alles in To-go-Verpackungen gepackt. Am heftigsten verpacken die Onlineversender: Hier kommt ein Babyglas in einen Umkarton, der wiederum in einen kleinen Karton, der anschließend in ein Nest aus Verpackungsmaterial und das wiederum in den endgültigen Versandkarton kommt. Im Supermarkt hingegen blieb alles in seiner angestammten Originalverpackung und bekam nur ein spezielles Preisschild (umweltschonendste Variante). Auch auf dem Wochenmarkt kann man sehr umweltschonend Lebensmittel retten, indem man einfach den eigenen Stoffbeutel mitnimmt und sich das geben lässt, was übrig ist.
Wie unterschied sich das Verpackungsmaterial zu den sonst üblich gekauften Produkten?
Reguläre Lebensmittel im Jahr 2023 Umverpackung 8,130 kg
Gerettete Lebensmittel im Jahr 2023 Umverpackung 11,234 kg (ohne Versandkartons und Auspolstermaterial)
Bei den geretteten Lebensmitteln gab es weniger Glasverpackung, dafür 1,2 kg mehr Alu und 0,4 kg mehr Plastik. Bei Papierumhüllungen war der Wert fast gleich.
Wie viele Lebensmittel wurden gerettet?
Es wurden insgesamt 267 Lebensmittel gerettet, die 44,156 kg entsprachen. Davon waren 181 essbar, 12 waren schon in der Verpackung verdorben durch Schimmel oder Auslaufen, 10 waren so über das Datum hinaus, dass man sie vom Geschmack her nicht mehr essen konnte, und 64 Lebensmittel wurden verschenkt.
Hat das Retten von Lebensmitteln finanziell etwas gebracht?
Da ich gemischte Quellen für die geretteten Lebensmittel hatte, kann ich klar sagen: nicht immer. Wenn ich zum Beispiel direkt vor Ort Lebensmittel gerettet habe, hat das der Umwelt etwas gebracht, da ich reine Fußgängerin bin und auch kaum Verpackung drumherum hatte. Der Preis war zwar höher, aber da ich keine Fahrt- oder Portokosten hatte, kam ich klar billiger weg.
Beim Versandhandel lohnt es sich nicht für eine einzelne Person, durch die hohen Portokosten. Zudem ist man gebunden auf den Lieferant manchmal Tage zu warten. Ebenso ein Nachteil für Einzelpersonen ist, dass man oft schon eine sehr große Menge kaufen muss, um die Portokosten wieder hereinzuholen. Was ich generell noch sagen kann, ist, dass ich Markenprodukte zum Sensationspreis bekam, ideal um sie zu probieren.
Der Normalpreis der Ware betrug 456,07 Euro, während der Preis für die gerettete Ware 318,23 Euro über das ganze Jahr betrug.
Für wen lohnt es sich, Online Lebensmittel zu retten?
Klar, für Menschen, die alles vertragen und keine Kostverächter sind, also nicht nach einer bestimmten Ernährungsart leben und alles essen, was auf den Tisch kommt. Es lohnt sich auch für Familien oder Nachbarn, die sich einen Karton teilen. Für Spezialisten beim Essen ist es definitiv nichts, denn das Warenangebot ändert sich jeden Tag. Ideal ist es auch, direkt bei einem Keks- oder Schokoladenhersteller in Deutschland zu bestellen, wenn er diese Art von Angeboten hat.
Warum entsorgen Supermärkte so viele Lebensmittel?
- Oft wird behauptet, ein Supermarkt mache das mit Absicht, aber das ist großer Unsinn! Die meisten Supermärkte gehören zu großen Ketten, obwohl es auch von Kaufmann geführte gibt. Bei Ketten bestimmt die Zentrale, was im Sortiment ist, und nicht der Filialleiter. Auch wenn ein Filialleiter lieber Mangopudding im Sortiment haben möchte, weil seine Kunden diesen lieben, und den Kirschpudding liegen lassen, muss der Filialleiter den Kirschpudding ins Sortiment nehmen. Entweder sagt die Zentrale z.B. dass der Pudding gerade in der Fernsehwerbung ist und es zu erhöhter Kundennachfrage kommt, oder die Zentrale hat mit dem Hersteller einen Deal, dass sie eben 2 Tonnen Pudding einer gemischten Palette abnehmen müssen, in der auch Sorten enthalten sind, die sie in der Filiale nicht möchten. Andererseits beschädigen Kunden viele Waren, gerade bei offenem Gemüse und Obst, wird gedrückt, aufgerissen oder genascht, obwohl das illegal ist. Verwöhnte Kunden nehmen eben keine Ware, die Druckstellen hat. Schlimm sind auch Kunden, die etwas aus dem Kühlregal nehmen, wie Hefewürfel, und ihn dann zu den Chips ins Regal legen. Die Hefe wird nun entsorgt, da die Kühlkette unterbrochen ist.
- Kunden wollen ständig neue Angebote und kaufen nur dann oft nur Sonderangebote, sodass die anderen Waren in diesen Tagen nicht so stark verkauft werden, also landen sie ggf. im Müll.
- Häufig gibt es Rückrufe wie damals bei Tengelmann. Vor langer Zeit wurde im Fernsehen eine Lebensmittelwarnung ausgestrahlt, woraufhin die Filialleiter bundesweit kartonweise Pralinen entorgten, in denen Dörrobstmotten gefunden wurden von einem Kunden. In diesen Fällen wird nun nicht jede einzelne Schachtel geprüft sondern der gesamte Karton/Charge kommt weg.
- Auch bei Lieferschäden werden Lebensmittel entsorgt, da Kunden keine zerdrückten Teepackungen wollen, auch wenn der Händler sie günstiger abgeben würde.
- Lebensmittel, deren Verbrauchsdatum abgelaufen ist, können gefährlich werden. Wir sprechen hier von Hackfleisch oder Fisch, Hühnchen oder Eiprodukten. Diese dürfen nach Ablauf des Verbrauchsdatums nicht mehr verkauft werden, hier drohen empfindliche Strafen den Händler. Vor einiger Zeit traf es einen Metzger, der ein abgepacktes frisches Hühnchen für ein paar Stunden in der Selbstbedienungstheke vergessen hatte. Er erhielt eine hohe Geldstrafe.
- Discounter, deren Namen ich hier nicht nennen möchte, entsorgen sehr viele Lebensmittel. Sie möchten nicht, dass ihre ohnehin schon günstigere Ware noch billiger verkauft wird, daher wird sie nicht einmal Restpostenhändlern angeboten.
- Manchmal fordern auch Hersteller, dass Lebensmittel im Supermarkt vernichtet werden, beispielsweise wenn sich die Umverpackung oder Packungsgröße ändert. Solche Meldungen kommen dann direkt von den Supermarktzentralen.
Was hältst Du von der Rettung aus Mülltonnen?
Generell halte ich nichts davon! Warum? In den Mülltonnen der Supermärkte landen nicht nur noch essbare Dinge, sondern auch Produkte, die zurückgerufen werden und gefährlich werden können. Erst letzte Woche gab es Wurst mit Salmonellen und Käse mit Listerien. Ich habe nichts dagegen, wenn die Person, die in die Tonne greift, die Lebensmittel selbst isst und dann wochenlang nicht mehr vom Klo runterkommt. Das Problematische ist, dass diese Sachen oft weitergegeben werden. Es wäre besser, den Supermarkt zu fragen und sich die Sachen zur Seite stellen zu lassen.
Ist die Rettung von Lebensmitteln generell sinnvoll?
Ja, wenn man es Regional bei sich im Ort macht und die eigene Tasche mitbringt und sofort in kreative Speisen verwandelt.
Was kann ich im Kleinen tun, um der Umwelt zu helfen dass weniger weggeworfen wird?
- Meide Discounter. Sie sind oft nur auf Profit aus, und der einzelne Kunde ist ihnen egal. Viel Greenwashing ist hier im Spiel. Die Waren kommen meist von weit her, und Grundprodukte wie Mehl und Milch sind nicht teurer als im normalen Supermarkt der mehr regionale Ware hat. Billig muss nicht sein!
- Kaufe bei regionalen Anbietern. Ja, es ist teurer, aber dafür werden die Lebensmittel nicht eingeflogen.
- Koche saisonal. Viele Veganer meiner Bekannten kaufen Blaubeeren im Winter, anstatt das zu kaufen, was es gerade zur Jahreszeit gibt, wie diverse Wurzelgemüse oder Lageräpfel (die auch mehr Nährstoffe als Blaubeeren haben). Viele heimische Sorten verschwinden immer mehr in den Supermärkten, und immer mehr exotisches oder aus Treibhäusern stammendes Gemüse kommt aus dem Ausland zu uns. Avocada verbraucht unmengen Wasser.
- Wenn du Fleisch isst, esse nicht nur die Edelteile wie Schnitzel, sondern kaufe auch mal Kutteln, Kalbsbacken, Innereien, Euter, Ochsenschwanz. Wenn alle nur Edelteile essen, müssen immer mehr Tiere sinnlos sterben. Wenn wir alles essen, sind es weniger.
- Wenn du beim Bäcker ein einzelnes oder angeschnittenes Brot siehst, nimm das mit, dann wird es nicht entsorgt.
- Kaufe vor Ladenschluss das, was weg muss, und nicht immer das mit längstem Mindeshaltbarkeitsdatum.
- Nerve nicht den Supermarkt oder Händler, das Du noch vor Ladenschluss immer dein Lieblingsprodukt brauchst. Was weg ist, ist halt mal weg. Gehe zu unterschiedlichen Tagen und Uhrzeiten einkaufen.
- Kaufe Ware die in Sonderregalen liegt und aus dem Sortiment genommen wird.
- Gib Deinem Haustier nur so viel in den Fressnapf, wie es auch frißt.
- Nutze eine Gefriertruhe und Einmachgläser um gekochtes oder frisches länger Halbbar zu halten.
Was sollte ich nicht machen wenn ich Lebensmittel rette?
- Dränge anderen Menschen nicht gerettete Lebensmittel auf.
- Zwinge Händler nicht, Rabatte zu geben. Oft sind die Margen sehr gering oft im Cent-Bereich.
- Protze nicht vor anderen Kunden, die voll zahlen mit Deinem günstigeren Preis.
- Lass waren nicht um die Welt reisen, um sie zu retten.
- Gib nicht an das Du der tollste Hecht bist, nur weil Du Lebensmittel rettest. Nicht jeder kann es tun. Es gibt Menschen mit Allergien, Krankheiten oder Abneigungen.
Menschen sind verschieden und das ist auch gut so. - Behalte Tipps nicht für Dich, damit auch andere dort einkaufen und mithelfen können.
Ideen für Verwertung von altem Brot, die bei uns früher fast täglich gab:
Arme Ritter, geschmelzte Brotsuppe, Brotauflauf, Ofenschlupfer, Scheiterhaufen, Semmelknödel, Brotsalat, Braten in Brotkruste, Strammer Max, Semmelknödelsuppe, Brotpudding. Sind nur einige Dinge aus meiner Kindheit. Rezepte findest Du bestimmt schnell im Netz.
Mein Fazit:
Ich werde die Lebensmittelrettung weiterhin betreiben, allerdings nur noch regional und vor Ort. So spare ich unnötigen Verpackungsmüll und Diesel und Strom für die Logistik. Weiterhin werde ich auch zu Fuß gehen, in dem Sinne, vielleicht laufe ich ja gerade zum Lebensmittel retten. Ausserdem liebe ich es mich überraschen zu lassen, was es dann zu Essen gibt, hier ist der Fantasie keine Grenze geboten.